Jede Zeit hat ihre Zeichen

Advent
Der Sonnabend vor dem ersten Advent hatte bei uns daheim seine Bedeutung. Am Nachmittag dieses Tages ging meine Oma mit mir auf den obersten Boden hinauf und wir holten die Kisten, Schachteln und Kartons mit dem Weihnachtszeug herunter. Die wurden erst einmal ins Wohnzimmer gestellt. Denn zunächst ging es für uns ans Backen.
Meine Oma hatte schon alles in der Küche vorbereitet. Jetzt häufte sie Mehl auf die Tischplatte. Dann machte sie in die Mitte ein Loch, dort hinein gab sie Butter, Zucker und Vanillezucker, das Rumaroma und die Eier. Um den Mehlkranz herum durfte ich den Inhalt des Backpulverpäckchens verteilen. Dann verknetete Oma alles zu einem Teig, was anstrengend für sie war und auch eine Weile dauerte.
Das Warten wurde mir dann doch zu langweilig. Ich ging in unser hinteres kleines Zimmer, dort hatte mein Opa seine kleine Privatwerkstatt. Er saß dort mit seiner Schusterschürze auf einem kleinen Schemel; um ihn herum lagen kleine und große Zweige mit und ohne Grün, Bindedraht und seine große Schere. Aus langen Weidenzweigen flocht er einen großen Ring; ein umgedrehter Eimer diente ihm dabei als Schablone. Ich lehnte mich gerne an meinen Opa, es fühlte sich so gut an, wenn er beim Arbeiten leise seine Lieder summte.
Meine Oma war da in der Zwischenzeit schon beim Ausstechen und ich lief nun zwischen Werkstatt und Küche hin und her. Die ausgestochenen Plätzchen legte Oma vorsichtig auf ein bemehltes Blech und dann mussten sie backen. Sofort nach dem Herausnehmen wollte ich kosten, doch die kleinen Köstlichkeiten sollten erst abkühlen.
Mein Großvater legte nun um den geflochtenen Ring einen Mantel aus grünen Zweigen. Sie kamen von außen nach innen an den Kranz – die größeren nach außen. Zum Fixieren verwendete er Bindedraht. Ich reichte ihm die sorgsam zugeschnittenen Zweiglein an. War eine angebracht, kam die nächste Zweigschicht schuppenförmig darüber, so dass der Draht nicht mehr zu sehen war. Es ging alles recht schnell. Und es roch so gut, hier im kleinen Zimmer nach den frisch geschnittenen Zweigen und dort in der Küche nach den ersten fertigen Plätzchen.
Meine Oma hatte inzwischen schon die Hälfte der Plätzchen auf der Unterseite mit Marmelade bestrichen. Die andere Hälfte der Plätzchen wurde auf der Oberseite mit Glasur bestrichen und die Hälften zusammenfügt. Ich durfte Teigreste naschen.
Später sah es im Wohnzimmer aus wie bei unserem Kaufmann. Überall offene Kartons, und ich wickelte aus und stellte die Figuren - Nussknacker und Räuchermännchen - auf den Fernseher, in die Schrankfächer und die Fensterbretter.Dann durfte ich den ersten Räucherkegel anzünden und Opa sprach ein Gebet von einer Zeit, die jetzt auf uns zukäme.
Am Adventsmorgen saßen wir gemeinsam in der Kirche. „Macht hoch die Tür", auf dieses Lied hatte Opa sich gefreut. Dort stand ein ganz großer Adventskranz auf einem hohen Ständer. Nach einem üppigen Mittagessen, das es erst spät gab, gingen wir gleich zum Kaffee über. Die erste Kerze leuchtete und wir probierten die Kekse. Opa summte.
Jahre später buk ich die Plätzchen, weil die Großmutter es nicht mehr konnte. Das Kranzbinden hatte ich schon Jahre vorher Advent vom Großvater übernommen. Heute bin ich den Großeltern dankbar für diese gemeinsame Zeit und ihre Zeichen, die sie mich begreifen lehrten. Beide, Oma und Opa, haben mir aber nicht nur die Technik dieser Fertigkeiten, sondern auch das Gefühl von Geborgenheit vermittelt. Und die Gewissheit, dass hinter allem, was wir in dieser Zeit tun, die Vorbereitung auf die Ankunft unseres Herren steht.
Diakon Wolfgang Ziehe

Omas doppelte Rumplätzchen
Zutaten: 250 g weiche Butter, 250 g Zucker, 2 Eier, 500 g Mehl, 1 Backpulver, 1 Vanillezucker, 1 Rumaroma
Für die Füllung: 250 g Erdbeermarmelade, vermischt mit einem Rumaroma
Für die Glasur: 250 g Puderzucker, vermischt mit einem Rumaroma und etwas Zitronensaft
Backen auf der mittleren Schiene im Backofen bei 200 Grad für 10 bis 15 Minuten

files/eddigehausen/Aktionen/KKGG 4996.jpg
Miniaturkeippe Druse und Metall, Italien


Silvester

files/eddigehausen/Aktionen/silvester_02.jpg

Kaum ein anderer menschlicher Zustand hat Völker und Kulturen immer von neuem so stark bewegt wie das Thema des Überganges. Meist sind  damit die großen Übergänge gemeint wie Geburtstag, Schulabschluss, Hochzeit und auch der Tod. Und dazu gibt es die kleinen Übergänge: Dann, wenn uns plötzlich jemand nicht mehr grüßt, wenn einem Jugendlichen die Freundin ausgespannt wird, wenn ich merke, dass ich den gewohnten Spaziergang nicht mehr gehen kann – all die vielen Abschiede, die unser Leben unablässig verändern.
Natürlich kennen wir auch Übergänge, die uns beglücken und beflügeln: Dann, wenn wir uns auf einen Neubeginn so richtig freuen, wenn wir etwas gut abgeschlossen haben und das Neue uns mit Neugier und Begeisterung erfüllt. Auch in diesen Situationen schwingen manchmal Angst und Verunsicherung mit, jedoch überwiegt dann die Erwartungsfreude, und wir vertrauen darauf, dass das Neue gelingen und uns einen Schritt weiterbringen wird.
Der Silvesterabend ist solch ein Moment des Übergangs. Häufig in Gesellschaft gehört für viele Menschen zum Jahreswechsel um Mitternacht ein Feuerwerk, viele Böller und Glockengeläut. Bleigießen sowie das Öffnen einer Flasche Sekt zum Jahreswechsel sind weit verbreitet. Wiederholungen bei der Auswahl der Gäste, der Speisen, es Abendangebotes und der spielerischen Rituale haben an diesem Tag etwas durchaus Wohltuendes, weil sie uns gemeinsam versichern, dass wir auch diesen Übergang schaffen werden.
Früher bildete ein Silvesteressen in der Familie und mit Freunden sichtbar einen geschlossenen Kreis, um gemeinsam Altes zu beenden und Neues zu beginnen, und wirkte gemeinschaftsstabilisierend. Ein traditionelles Silvestergericht war Erbsensuppe. So zahlreich und  schmackhaft wie Erbsen sollten Geld und Wohlstand im neuen Jahr im Haus sein.
Dem festlichen Essen ging in der Regel der Silvestergottesdienst voraus, bei dem der Pfarrer die Silvesterpredigt hielt, die ihm Gelegenheit zu einer grundsätzlichen, das letzte Jahr und die bevorstehende Ewigkeit bedenkenden Predigt gab.
Auch heute sind unsere Kirchen am Silvesterabend nicht leer. Die früher und jetzt gut besuchten Gottesdienste zeigen, dass uns ruhige und besinnliche Momente helfen, etwas von Gottes Nähe spüren zu können. Und so gibt es auch für mich persönlich zwei Punkte im Jahr, die mich nachdenklich werden lassen: der eigene Geburtstag und der Jahreswechsel. Beide Anlässe führen mir vor Augen, wie schnell die Zeit entschwindet. Und wenn ich ehrlich mit mir umgehe, muss ich fragen: Was habe ich aus meiner Zeit gemacht? Bin ich ganz in meiner Arbeit aufgegangen? Habe ich die Zeit womöglich totgeschlagen? Habe ich genug Zeit für andere gehabt?
Mit manchem bin ich in der Rückschau nicht zufrieden. Zuviel Zeit wurde mir gestohlen, in der ich dies und das hätte tun können. Wenig Zeit blieb übrig, die ich nach meinem eigenen Ermessen verwenden konnte. Der Erfolg eines Jahres lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Ich kann nicht wie ein Geschäftsmann eine Inventur machen. Gute und böse Stunden lassen sich nicht so einfach gegeneinander aufrechnen.
Die beste Bilanz kann nur so aussehen, dass wir sagen: Die gute Hand Gottes war allezeit mit uns. Unter seinem Schutz haben wir gelebt, auch wenn wir uns das nicht jeden Tag klargemacht haben. Uns sind schöne Stunden geschenkt worden, und wir sind durch schwierige Zeiten innerlich gewachsen.
Ich gieße kein Blei und ich wünsche Freunden und Bekannten kein gesundes und erfolgreiches neues Jahr, wie es viele überflüssige Postkarten tun. Ich unterlasse es nicht deshalb, weil ich ein boshafter Mensch bin. Aber es steht eben nicht in unserer Macht, für all das zu sorgen. Ich hoffe, dass ich mich im neuen Jahr nicht selbst verliere. Und so wünsche ich lieber eine gesunde Seele, die sagen kann: Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Diakon Wolfgang Ziehe

files/eddigehausen/Aktionen/silvester_01.jpg      files/eddigehausen/Aktionen/silvester_03.jpg

Epiphanias – die Erscheinung des Herrn

Wenn am 6. Januar drei Kinder an der Haustür klingeln, die sich mit Pappkronen und bunten Umhängen verkleidet haben, dann denken Sie: „Ach ja, die Sternsinger! Heute ist der „Dreikönigstag“!“ Die Sternsinger singen ein Lied, sammeln Spenden für Kinder in Not und hinterlassen den berühmten Haussegen: „Christus mansionem benedicat.“ Christus segne das Haus.
Die Tradition des Sternsingens erinnert an die Magier aus dem Morgenland, über die bei Matthäus berichtet wird. Sie sind Zeugen der „Erscheinung“ Gottes in menschlicher Gestalt, in Jesus Christus. Erscheinung, das heißt auf Griechisch Epiphanie. Deshalb wird dieser, nach Ostern zweitälteste, christliche Feiertag auch Epiphanias genannt.
Die Epiphanienzeit bildet den Abschluss des Weihnachtsfestkreises, der mit der Geburt Christi am 25. Dezember beginnt. Eine weitere biblische Erzählung, die sich mit dem Epiphaniasfest verbindet, ist die Erzählung von Jesu Taufe im Jordan.
Bis ins 4. Jahrhundert war der Hauptinhalt des Festes die Geburt und Taufe Jesu. Dieser Tag galt als Neujahrsbeginn. Eine Verlagerung auf das heutige zentrale Festthema, die Ankunft der Weisen aus dem Morgenland, fand erst nach der Verlegung des Geburtsfestes Christi auf den 25. Dezember statt.
Pastorin Christina Klasnik

files/eddigehausen/Aktionen/KKGG 4790.jpg

Zurück